Alexander Wolff
White Balance
26. Februar – 1. April 2016
Vernissage Donnerstag 25. Februar, 18 – 20 Uhr
Wie sich die Ausstellung von Alexander Wolff im Galerieraum zu Öffnungszeiten und im Tageslicht zeigt, so ganz anders tritt sie bei Dunkelheit in Erscheinung, von Außen durch die Fensterfront betrachtet. Eine Reihe von Bildern, einige in lautstark bunten Tönen, dann wieder in zurückhaltend weissen, oder durchweg schwarzen, ein anderes in schwarz-weissen, montiert er in die Galerie und rückt mit ihrer malerischen Qualität den visuellen Teil und die Machart in den Fokus. Wie bereits in früheren Arbeiten ist jedes Bild einem minutiösen Arbeitsprozess unterworfen, der dem Zusammenspiel von Bildträger und Bild bzw. Leinwand und Farbauftrag verschrieben ist: einzelne Stoffstücke werden eingefärbt, bedruckt, selten besprüht oder bemalt, genäht und zu einem Gesamtbild gefügt, um dann in einem nächsten Schritt eventuell erneut eingefärbt, zerschnitten und zu neuen Konstellationen komponiert zu werden. Durch den Prozess des Färbens haftet die Farbe der Oberfläche nicht nur an, sondern durchdringt die Leinwand regelrecht in einer vollständigen Verschränkung von Bildträger und Farbe. Gleichzeitig stellt dieses von Wolff sich selbst auferlegte Prinzip des Druckens und Färbens, der Montage und Demontage Bildträger und Bildform/-farbe in ein nicht mehr klar definiertes Verhältnis, verstärkt durch Stoffstücke, die so aneinander gefügt werden, dass Nahtkanten teilweise auf der Vorderseite sichtbar bleiben (bestimmbar noch durch das Spannen der Leinwand auf Keilrahmen). Dieses Entgegenwirken bekannter Spielregeln wird anhand der seriell angelegten Segmente fortgeführt. Jedes Bild ist quadratisch, kreuzförmig in vier gleich grosse Teile gegliedert, mit einem Mittelpunkt, um das sich acht Elemente anordnen. Diese sind austauschbar, kombinierbar und optisch drehbar. Richtig zueinander gedreht, ergeben die Formen eine Zielscheibe für die Betrachtung. Das Bild ist wendbar und ohne vordefinierte Richtung; es entzieht sich einem optischen Illusionismus von Schwerkraft – die Eigenschaft, den Limitationen der optischen Gravitation entgegen zu wirken war denn auch bereits programmatisch für die Abstraktion, gegen deren autoritären Gestus sich Wolff gleichzeitig wehrt: die Durchnummerierung der Titel Seventeen (Eighteen, Nineteen, …, etc. ) Alternative to… , das Bekennen zur Alternative lässt auf eine sich fortsetzende, offene Serie schliessen – es ergeben sich immer noch andere Varianten. Begonnen hat Alexander die Reihe für eine Ausstellung in der Kunsthalle Lingen, der gegenüber sich die Justizvollzugsanstalt befindet. Dort ausgestellt, und nur von den Gefängnisinsassen zu sehen, entfaltete sich das Motiv noch mit anders gearteter Wirkung – das Motiv der Zielscheibe als Mittel gegen die Langeweile oder zum Frustabbau. Dass sie jedoch möglicherweise auch hier einen Handlungsrahmen für ein nicht näher erklärtes Ereignis darstellen, wird deutlich durch die aufgestellten Strahler. Abends und nach der Schliesszeit verwandelt sich die Galerie in einen Schaukasten, in dem sich für den Davorstehenden ein kleines sinnliches Spektakel abspielt. In kontinuierlichem Verlauf werden die Bilder nacheinander von den RGB-Farben Rot, Blau und Grün angestrahlt. Der Raum wird zum Farbraum, die Bilder gewinnen zusätzlich an Dynamik, und das, woran man sich gerade noch erinnerte, wird von neuen Farbreizen überlagert, löst sich auf, verändert sich ständig; neue Bilder werden kurzzeitig hervorgerufen, verschwinden, oder verschmelzen miteinander. Vielleicht nicht im Sinne des völligen Versinkens, aber doch so, dass die Eindrücke nicht mehr genau zu bestimmen sind. So kommt nicht nur ein destabilisierendes und desorientierendes Element hinzu, es scheint auch, dass eine weitere Methode zur Vervielfältigung gefunden wurde, die immer ein anderes Resultat befördert. Mit dem Ansatz, dem Betrachter mehrfache Variablen bereit zu stellen, wird die formale Autorität des autonomen Bildes zurück gedrängt zugunsten einer grösseren Aktivierung und Durchlässigkeit. Dieser wird über die Leinwandgrenzen hinweg fortgeführt, und weitet sich auf Konstanten gewohnter Ausstellungssituationen aus. Wenn Wolff also ein aus verschiedenen Weißtönen zusammengesetztes Bild in rotem, blauem und grünem Licht fotografiert, die drei Abbildungen überlagert, um daraus wieder ein farbneutrales RGB jpeg für den Email Flyer zu erstellen, oder wenn er den RGB-Lichtraum dem White Cube gegenüberstellt, dann schafft er nicht nur eine Situation, um sie sogleich als Konstruktion bestimmter normierter Formate zu entblößen, sondern ist es gleichzeitig eine Möglichkeit, ein neues Bild zu generieren.
Nikola Dietrich
English Press Release:
Alexander Wolff
White Balance
February 26 – April 01 2016
Vernissage Thursday, February 25, 6 – 8 PM
By daylight, during the gallery’s opening hours, Alexander Wolff’s exhibition reveals itself quite differently than it does by night, as seen from outside through the showroom windows. The artist has mounted a series of paintings in the gallery, some in vibrantly colorful tones, others in subtle whites, or completely black, another in black-and-white, directing the focus onto their visuality and technique through their painterly qualities. As in earlier works, each painting results from an elaborate production process, committed to the interplay between the picture plane and the picture, between the canvas and the paint: pieces of fabric are dyed, printed, occasionally spray-painted or painted and sewn together, to perhaps in the following steps once again be dyed, cut and recombined into new constellations. Through the process of dying the canvas, the color not only lies upon the surface of the painting, but permeates the canvas entirely in a complete intertwining of picture plane and color. This self-imposed principal of printing and dying, of montage and démontage of the canvas, establishes a no-longer-clearly-defined relationship between the picture plane and the picture, an effect that becomes further amplified through the use of fabric pieces that are sewn together in such a way that seams remain visible, being turned out toward the front of the canvas, as determined by how the painting is stretched and mounted. Resistance to the familiar rules of painting is further carried out through the serial production of the composition’s segments. Each painting is square-shaped, composed of four equal quadrants, with a central point around which eight elements are arranged; these are interchangeable, combinable and optically rotatable. All rotated towards the center, the elements form a target. The paintings themselves may also be rotated and have no pre-defined orientation; in this way they resist the optical illusion of gravity. This practice of working against the limits of an optical gravity was already programmatic for Abstraction, whose overall authoritative gesture Wolff simultaneously rejects: the paintings’ numbered titles, Seventeen (Eighteen, Nineteen,…, etc.) Alternative to…, the commitment to an alternative, indicates an open-ended series – there will always be further variations. Alexander Wolff began this series for an exhibition in the Kunsthalle Lingen, located directly adjacent to a state prison. Exhibited there, and only visible for the prisoners, the motif in the series unfolded with quite another effect: the target as a means for relieving boredom or frustration. That the paintings might, within the current exhibition, offer the framework for some unknown action is suggested through the installed LED spotlights. In the evening after closing time, the gallery transforms into a kind of showcase in which a sensuous spectacle unfolds for passers-by. In continuous progression, the paintings are illuminated by the RGB colors: red, green and blue. The gallery space becomes a colorscape, the paintings undergo a dynamic transformative process, and that which one has just remembered is superseded by a new color impulse, dissolves, changes again; new pictures are briefly evoked, only to then again disappear or melt into one another. Perhaps not in the sense of full sensual immersion, but to the extent that one’s impressions are no longer clearly distinguishable. This brings not only a destabilizing and disorienting element to the work, but reveals the discovery of a further method of multiplication, generating ever different results. With this approach of providing the viewer with multiple variations, the formal authority of the autonomous work of art is suppressed in favor of a greater potential for activation and porousness. This approach is carried out beyond the borders of the canvas, extending to the common conventions of exhibition practice. When Alexander Wolff then photographs a painting composed of white-tones alternately with green, blue and red light and composites these images to produce a color-neutral RGB jpeg for the invitation announcement, or when he contrasts the white cube with an RGB lightshow, then he is not only creating a situation in order to expose particular normative formats as a construction, but at the same time it becomes the possibility to generate a new picture.